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2. Volkswandertag in Halle (Saale)

Im letzten Jahr wurde der Wanderstock vom Magdeburger Gehörlosen-Sportverein an den Verein Wanderfreunde der Gehörlosen Halle (Saale) übergeben. Somit durften wir uns in diesem Jahr die Wanderstrecke überlegen und den Tag organisieren.

 

Der Wandertag fand am Feiertag, dem 3. Oktober 2025, statt. Es trafen sich 57 Teilnehmer*innen – darunter 6 Kinder und ein Hund – aus Mitteldeutschland und Berlin an der Geschäftsstelle des Gehörlosen-Sportverbandes Sachsen-Anhalt in Halle (Saale). Dort gab es zur Stärkung zunächst erstmal ein kräftiges Frühstück mit belegten Brötchen und Kaffee. Danach eröffnete unser Wanderführer Holger Mende mit einer herzlichen Begrüßung den Wandertag.

 

Doch bevor es losging, wartete noch eine kleine Überraschung auf ihn. Holger bekam vom Gehörlosen-Sportverband Sachsen-Anhalt e.V., im Namen des Deutschen Gehörlosen Sportverbandes, eine goldene Ehrennadel mit einer Ehrenurkunde und einem kleinen Präsent überreicht. Wir danken ihm für sein langjähriges Engagement und seine Verdienste im Verband.

 

Danach starteten wir gemeinsam um 10.30 Uhr die Wanderung.Die Wanderstrecke führte uns durch das grüne Halle-Neustadt, vorbei an der neu gebauten Eissporthalle.  Weiter ging es zum Weinberg Campus, dort machten wir eine kleine Rast zur Stärkung. Wir wanderten weiter zum heutigen Universitätsgelände, früher war hier ein großer Appellplatz für Soldaten und russische Panzer. Der Weg führte uns vorbei an einem tollen Wasserspielplatz und einem Hügel, von dem man einen schönen Ausblick bis zum Kraftwerk Buna, dem Wasserturm Nord und den Hochhäusern in Halle-Neustadt hat.

 

Danach wurde es grün und wir wanderten durch das Waldgebiet Dölauer Heide. Wir erreichten den Kolkturm, welcher 133m über dem Meeresspiegel steht. Nach einem steilen Aufstieg mit 80 Stufen hatten wir vom 18,5 m hohen Turm und der Aussichtsplattform wir einen tollen Blick bei schönstem Herbstwetter.

Unser Ziel war fast in Sicht, wir wanderten locker weiter mit einem Bollerwagen, vorbei an dem neuen Spielplatz „Ameisenhausen“. Durchs bunte Laub ging es bergab zum Heidebad der Stadt Halle – am Rand des Heidesees. Zufällig fand dort ein Oktoberfest mit Musik und bayerischem Essen statt – das nutzten wir gern zum Ausklang.

 

Als Erinnerung bekam jede*r eine hölzerne Wandermedaille. Unser schöner Wanderstab wurde an den Verein GSBV Weißenfels/Naumburg übergeben – zur Vorbereitung des nächsten Wandertags am 3. Oktober 2026. Wir fuhren am Abend mit Sonnenuntergang und besten Erinnerungen nach Hause.

 

Die Teilnehmer erlebten neue Alltagsmomente in der Natur und freundschaftliche Verbindungen in bester Stimmung.

 

Ein großer Dank geht an den Ausrichter, das Team, den Wanderführer und die Helfer*innen des Wandervereins der Gehörlosen Halle (Saale).

 


Wer mehr geschichtliches Interesse über die Stationen unserer Wanderung hat, kann hier weiterlesen:

 

Station 1: Neue Eissporthalle (Eisdom) und alte Flughafen-Geschichte

Nach rund 1 km fröhlicher Wanderung sahen wir die neu erbaute Eissporthalle (Eröffnung am 25.10.2025) mit 3.300 Zuschauerplätzen. Sie wurde zu 100 % aus dem Hochwasserfonds finanziert, da die alte Eissporthalle am Gimritzer Damm durch das Jahrhundert-Hochwasser 2018 mit 8,13 m Pegelhöhe komplett zerstört wurde.

 

Erstaunlich war auch: An dieser Stelle befand sich von 1925 bis 1927 der Wiesen-Flughafen Halle-Nietleben, von dem Linienflugzeuge starteten und landeten. An einem Tag flogen bis zu 14 Fluglinien – mit direkten Verbindungen z. B. nach München, Gera-Plauen, Magdeburg-Hamburg, Berlin, Köln, Kassel-Dortmund, Erfurt-Frankfurt-Mannheim-Karlsruhe, Erfurt-Stuttgart-Zürich, Leipzig-Dresden-Görlitz-Breslau.

 

Aufgrund des rasanten Wachstums wurde der Flugverkehr ab 1928 auf den Flughafen Halle/Leipzig-Schkeuditz verlegt.

 

Station 2: Kasernengelände und militärische Nutzung

Genau an derselben Stelle wurde 1934 ein militärisches Areal mit Mauern (ca. 2 km²) errichtet: die Heeres- und Luftwaffen-Nachrichtenschule mit modernen Gebäuden. Am 10. April 1945 wurde die Kaserne von der US-Armee übernommen, ab Juli 1945 bis Juli 1991 war sie Standort der Sowjetischen Garde-Motor-Schützendivision mit bis zu 9.000 Soldaten und Offiziersfamilien.1994 übernahm die Stadt Halle das Gelände vom Bund. Die Mauer wurde zur Freude der Bevölkerung abgerissen. Es folgte eine aufwendige Sanierung des verseuchten Bodens (Tanklager, Ölabsickerungen, verfallene Gebäude etc.).

 

Station 3: Weinberge und Geschichte der Anstalt Nietleben

Wir wanderten auf neugebauten Wegen durch 1650 gepflanzte Bäume und schöne gelbliche Herbststauden zu den Weingärten mit Trauben. Hier war früher eine Weinplantage, die leider durch Krankheit zerstört wurde. Zwischen 2001 und 2005 wurde versucht, sie wieder anzusiedeln. Schön anzusehen – passender Name zur Stadt: Händel-Wein.

 

Bei blauem Himmel und Sonnenschein erreichten wir den Eingang zum Weinberg-Campus an der Otto-Eißfeldt-Straße mit schönen italienischen Gebäuden (Baujahr 1844). Dieser Bereich gehörte einst zur Königlich-Preußischen Provinzial-Irrenanstalt Halle-Nietleben, der viertältesten in Deutschland.

 

Ursprünglich wurden dort 350 Patienten behandelt. 1864 wurde eine Anstaltskirche erbaut. Später entstanden 62 Gebäude, darunter Patientenvillen, Kegelbahnen und Felder für therapeutische Arbeiten – für bis zu 800 Patienten.

 

1935 wurde die Anstalt unfreiwillig geschlossen, weil das benachbarte Kasernengelände erweitert wurde. Viele Patienten wurden in andere Einrichtungen „verlegt“ und fielen dem nationalsozialistischen Euthanasieprogramm zum Opfer.

 

Die Anstaltskirche wurde während der sowjetische Armee-Zeit als Sporthalle zweckentfremdet, sie steht heute unter Denkmalschutz und wurde durch eine Stiftung saniert. Eine Firma nutzt sie heute als Tagungsraum.

 

2012 begann die GWG Halle, drei Patientenvillen zu sanieren – heute befinden sich dort 42 möblierte Appartements. Der Bereich heißt heute Weinberg-Campus – mit über 100 Firmen und mehr als 6.000 Forschenden und Wissenschaftlern.

 

Station 4: Forschung, Uni-Gebäude und Erinnerung

Wir wanderten vorbei an verschiedenen Firmengebäuden – man findet einen Springbrunnen und eine große Periodensystem-Tafel, ebenso die geologische Fakultät der Uni mit Fundsteinen. Am riesigen, früheren Appellplatz (heute Parkplatz) in der ehemaligen Kaserne zeigte Holger Mende alte Fotos.

 

Früher: Aufstellplatz deutscher Soldaten und sowjetische Panzer-Manöver nach Kröllwitz-Brandberge.

Heute: Martin-Luther-Universität mit tausenden Studierenden in den alten Kasernengebäuden – mit zwei Mensen, Hörsälen, einem Gewächshaus für Agrarwissenschaften und aktuell im Bau: eine große Uni-Sporthalle.

 

Wir verließen das Uni-Gebäude und wanderten vorbei an sanierten Wohnhäusern, ehemals als einheitliche 3-stöckige Wohnhäuser für Offiziersfamilien gedacht. Heute ist es für über 4.500 Menschen im Gebiet Heide-Süd Wohnraum mit vielen neugebauten privaten Häusern.

 

Station 5: Braunkohlenpfad und Aussichtshügel

Am Hang an der Yorkstraße entdeckten wir eine Lochmulde mit 80 cm Durchmesser – ein Teil des Braunkohlenpfads. Sie diente zur Belüftung eines 400 m langen Tunnels, durch diese Pferdebahn transportierte man Kohle ab 1857 mit Hilfe von vier Kohlewagen und mit einem Pferd mit Ölleuchter und mit einem Pferdeführer – für die Salzgewinnung an der Saline. Eine Abzweigung führte sogar direkt zur Heilanstalt Nietleben (Tunnel: 80 m lang).

 

Später standen wir am beliebten Wasserspielplatz mit einer 0,8 m großen Stahlkugel (seit 2005), über die Wasser aus zwei unterirdischen Tanks (20.000 Liter) strömt.

 

Wir stiegen den künstlichen Aussichtshügel Heide-Süd (mit drei Fahnen) auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne hinauf – man hatte einen herrlichen Blick bis zum Kraftwerk Buna, dem Wasserturm Nord und den Hochhäusern von Neustadt.

 

Station 6: Heidehof und Kolkturm

Ein weiterer interessanter Halt: eine 114 m lange Fahrzeughalle (Baujahr 1934/35) am Rand der Kaserne, in der einst sowjetische Panzer standen.

 

Bei der Sanierung 2002–2006 entstand mit 5,2 Millionen Euro das Projekt „Heidehof“ – mit 41 Eigentumswohnungen und Gärten. Ein gelungenes Beispiel für kreativen Umgang mit Geschichte.

 

Danach verließen wir das Kasernengelände und wanderten durch das Waldgebiet Dölauer Heide. Wir erreichten den Kolkturm (133m Höhe über NN) mit dem Aussichtsturm. Nach einem hohen Aufstieg erreichten wir die Aussichtsplattform in 18,5m Höhe und wir hatten einen tollen Blick bei schönstem Föhnwetter.

 

Direkt daneben: ein Steinkistengrab (Fund von 1975), das vor 4.500 Jahren errichtet wurde – damals lebten Menschen auf dieser Bergplatte.

 

Zielstation 7: Heidesee und Oktoberfest

Wir wanderten locker mit einem Bollerwagen bis zur stillgelegten Gleisüberquerung Nietleben–Hettstedt, wieder mit einer Infotafel zur Pferdebahn (3857 m Strecke von dem ehemaligen Abbaugebiet Heidesee bis Saale-Ufer).

 

Über den neuen Spielplatz „Ameisenhausen“ mit buntem Laub ging es bergab zum Heidebad der Stadt Halle – am Rand des Heidesees, wo früher 6–8 m dicke Braunkohleschichten abgebaut wurden.

 

Es war eine schöne Kombination aus Natur und viel geschichtlichem Wissen, welches die Teilnehmer mitgenommen haben.

 

H. Mende